Tag am Meer
Kein Wecker, einfach die innere Uhr machen lassen. Das empfehle ich übrigens vielen mal auszuprobieren. Ich trage seit 2004, seit dem ersten Tag auf Sizilien, keine Uhr mehr und finde, dass es einen unheimlich großen Effekt auf echte Gelassenheit und ein entspanntes Leben hat. Heute steht der Tag am Meer auf dem Programm.
Strandleben
Nun, draußen wird es hell, die ersten sanften, seichten Sonnenwellen kommen durch die Fensterläden und kündigen den Sonnenaufgang an. Da gehe ich doch mal raus auf die große, saftige Wiese vor dem Haus und schaue aufs Meer.
Man hört nichts, nur ganz entfernt sieht man ein kleines Fischerboot vorbeifahren und hört, wenn man sich konzentriert, den Motor. Du bist einfach allein in einem anderen Universum und nimmst außer Natur nur noch deinen Atem wahr.
Colazione slow
Wir machen uns fertig und laufen hoch auf die kleine Gasse, praktisch die Hauptschlagader, die quer durch Malfa führt. Schon morgens um 9.30 h merkt man die Hitze kommen, heute wird’s knackig. Dort ist ein kleines Caffe mit ein paar Tischen auf der gegenüberliegenden Seite.
Unter großen Sonnenschirmen sitzt man dort auch am Morgen vor der direkten Sonne geschützt, luftig, und kann in entspannter Art den Tag beginnen.
Die leckeren Cornetti, Sfoglie – alles gefüllt mit Marmelade, Pistaziencreme und anderen Schweinereien – werden daneben hofiert von den salzigen Varianten. Calzone mit Mozzarella und Schinken, kleine Pizzastücke, Brioche mit würziger Füllung und vieles mehr. Man kann aber auch eine echte hausgemachte Granita in vielen Geschmacksvariationen genießen, dazu ein Brioche mit Tuppo, der runden Kuppel.
Cornetti und Sfoglia
Ich bevorzuge, mit einer Sfoglia zu starten, lecker mit Aprikosenmarmelade gefüllt, dazu Espresso, Gabriel wählt die Cornettovariante mit gelber, süßer Creme Pasticciera.
Danach geht es gestärkt und relaxt zum Bus, auf in Richtung Rinella, dem schönsten Strand von Salina. Er liegt in einer Conca, einer Art halben Muschel, kleine schwarze Lavasteine, überschaubar, wenig besucht, ruhig, Entspannung pur und kein großer Lautsprecher wie an vielen anderen Stränden, die dich den ganzen Tag mit irgendeinem Radioschrott bedudeln.
Dolce Vita wir kommen
Nein, das ist Dolce Vita, Entspannung, wie es in den 60er Jahren war, genau so stelle ich mir das vor.
Malfa | Rinella | Leni
Die Fahrt von Malfa nach Rinella geht über Leni, praktisch eine kleine Ortschaft auf der Kuppe, gelegen mit Blick in Richtung Sizilien und auf das Mittelmeer in Richtung Norden. Leni hat eine wunderschöne, kleine Piazza mit einer Kirche. Das ist praktisch das Zentrum dieses gefühlt mit 20 Personen bewohnten Ortsteils.
Die Fahrt geht durch eine dichte, saftige, grüne Vegetation. Viel Schilf lässt erkennen, dass es an Wasser hier nicht mangelt. An den Hängen erkennt man Rebflächen für den Malvasia-Wein: akkurate Reihen nebeneinander im Guyot-Verfahren. Die Häuser, viele davon leider verlassen, alle im alten Eolianische Stil gebaut. Große Terrasse mit Säulen und darüber typisches Strohdach als Sonnenschutz. Immer mit einem üppigen Garten für den Anbau allerlei Gemüsesorten für den Eigenkonsum.
Andere Welt
Dann kommt man mit dem kleinen Bus durch den oberen Teil von Rinella. Man fährt auf der einen Seite rein, es ist nur in eine Richtung, Einbahnstraße, befahrbar. Es wird in einer engen Gasse vor alten Läden oder vor einer Piazza gehalten. Die Häuser sind stark mitgenommen, die Fassaden leiden unter dem dramatischen Klima mit viel Salzwasser in der Luft und der extremen Hitze im Sommer.
Impressionen, die sollte man einfach so erleben, auf sich einwirken lassen. Bilder, die sich ganz sicher im Gehirn verewigen. Diese Anfahrt ist eine Zeitreise in die echten 60er Jahre, genau so wie in alten italienisch/französischen Filmen. Keine Menschenseele auf der Straße, die Geschäfte sind auf ein Minimum reduziert: Bäcker, kleiner Supermarkt, Kiosk und Friseur. Basics wie beim Film – Il Postino.
Anni 60
Hier ist der Protagonist, Reduktion auf das Wesentliche! Nicht mal die meisten Italiener, die ich in Deutschland kenne, könnten oder besser, wollten hier leben, wohnen. Der Sinn liegt hier in der Einfachheit des Moments und der maximalen Freude für die Zeit auf dieser irdischen Welt. Was ist wichtig im Leben?
Viele, die ich kenne, würden schon nach den ersten 5 Minuten zappelig von Bein zu Bein unruhig umherspringen, weil ein kontrolliertes Nichtstun für viele extremer mentaler und physischer Stress bedeutet. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er seinen Tag durchtaktet.
Kleiner Hafen | Strand
Also, unten am Hafen angekommen, geht man am Anlegekai der Fähren rund 200 Meter quer rüber zum Strand. Die Hitze schon um 10 Uhr morgens merkt man sehr deutlich, und im Gegensatz zum letzten Jahr ist heute doch mehr los. Mehr Personen um diese Uhrzeit. Bis wir wieder wegfahren, bleibt es aber sehr dezent besucht und überschaubar.
Hier genießt man das kristallklare Wasser. Gabriel hat mit einem Cornetto und Brot die Fische gefüttert. Wir standen beide im Wasser bis zum Bauch und keiner kann sich vorstellen, wie toll es ist, mitten in einem Fischschwarm von mindestens 120 Fischen, klein und groß, zu stehen und zu schauen, wie diese alles ruckzuck wegputzen.
Fischfang
Aber das Meer, die Fischerei, ist ein trauriges Thema, und wenn man mit echten alten Fischern redet, kommen einem nur die Tränen. Der Konsum, dieser extreme egoistische Konsum, wird uns 100 % alles kaputtmachen. Bestes Beispiel ist der Tonno Rosso, der rote Thunfisch, der auf dem Fischmarkt in Tokyo zu astronomischen Preisen gehandelt wird.
Eigenkonsum
Der Sizilianer hatte immer zur Fangsaison Tonno konsumiert, Mai und Juni, das war’s. Bestände waren immer okay, bis die internationalen Ketten meinten, es muss das ganze Jahr Tonno Rosso gefangen werden. Eindeutig, keine Ursache durch die Sizilianer, sondern provoziert von außen.
Diesen kleinen Strand Rinella lege ich jedem ans Herz, einen Besuch abzustatten, vielleicht in einem der kleinen Bars oder Restaurants zum Mittagessen zu verweilen und mit Blick rüber, wenn das Wetter mitspielt, auf Sizilien und den Etna genießen. Slow Life, Slow Food 😉
Slow Food | Slow Life
In der Strandbar machen wir Pranzo, Panini und Acqua naturale, 😉 kein Wein, viel zu heiß. Es weht eine leichte Brise, die beim Mittagessen wirklich sehr angenehm ist und die Nahrungsaufnahme deutlich erleichtert.
Danach noch zwei Stunden Wasser und es geht zurück nach Malfa, mit dem kleinen Bus und einem Hauch Wehmut. Manchmal kommt es einem so vor, als ob man von einer Zeitzone in eine andere wechselt, und sobald der Bus wieder die Kuppe erreicht, kommt man in die Neuzeit von Malfa.
Vitamin D3
Zu Hause angekommen gibt es erstmal nur lange und ausgiebig kalt duschen, sonst nichts. Ausruhen und nochmals kalt duschen. Man sieht, dass die Sonne heute ihren Teil erfüllt hat. Sicher sind die Vitamin-D3-Depots gefüllt, für heute!
Nach einer Ruhezeit machen wir uns auf den Weg in den Ortskern, wieder mit dem Kleinbus, der innerhalb Malfa für uns kostenfrei ist. Service für Touris.
Oben angekommen, laufen wir quer durch und sehen: Es ist noch recht wenig los, ein paar Gäste für den Aperitif sitzen mal hier, mal da.
Fenech Winzer Legende
Heute besuchen wir Francesco Fenech, ein Urgestein und einen der ältesten Winzer der Insel. Er hat zusammen mit Nino Caravaglio das Consorzio Malvasia Doc gegründet, ist ein sehr guter Freund der Familie Tasca d’Almerita und muss leider vor Ort mit einigen Unannehmlichkeiten kämpfen, da er sehr transparent und ehrlich ist.
Diskussion Weinbau und Märkte
Dazu kann ich sagen, das ist oftmals und meistens nicht der Garant für Erfolg, da Ehrlichkeit zu oft nicht geschätzt wird, im Gegenteil. Bedauerlicherweise ein Manko in der aktuellen Gesellschaft.
Nun, wir laufen an der Küstenstraße unterhalb der Umgehungsstraße zum Weingut. Traumhafte Lage, Blick direkt auf Stromboli, große Terrasse und bereits eingedeckt mit typischen eolischen Leckereien.
Francesco die Seele vom Weingut
Wir begrüßen uns herzlich und Francesco erklärt uns nach einem ersten kühlen Wasser, die Lage, das Weingut, die Größe, den Malvasia secco und dolce und vieles mehr.
Nachdem wir uns diesen Mikrokosmos Fenech angeschaut haben, nehmen wir draußen Platz, am gedeckten Tisch mit Blick auf den Stromboli. Es weht ein lauer Lufthauch und die vielen Leckereien, Eolianische Salat mit Kapern, Kartoffeln und Tomaten, Caponata, Pecorinokäse, Bruschette in verschiedenen Ausführungen, frisches Brot sind bei einer typischen Verkostung im Weingut inklusive.
Delikatessen äolianischer Herkunft
Der erste Wein, der Malvasia Secco Maddalena, ist mein Lieblingswein vom Weingut. Schon vor Jahren genoss ich diesen hier im Restaurant zum Abendessen. Wir reden und reden, und dabei kommen immer einige komplizierte Umstände der Weinbranche auf den Tisch. Wie man so schön sagt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt!
Natürlich nur, wenn man den richtigen Ansprechpartner mit viel Erfahrung gegenüber sitzen hat, und das ist bei Francesco absolut der Fall. Er kann aus über 50 Jahren Weinbau resümieren, Anekdoten erzählen und die Entwicklung des Weinbaus perfekt in Worte fassen und darstellen.
50 Jahre im Weinberg
Nach der sehr entspannten Verkostung von Wein und echten äolischen Spezialitäten geht es zu Fuß zurück, am Meer Richtung Malfa Centro. Dort gönne ich mir noch eine Pizza to Go um diese dann auf der Terrasse mit einem guten, gekühlten Glas Maddalena und dem Blick über die seichten Wellen des Mittelmeers zu genießen.
Nacht bis morgen 😉


Fenech
– Bioweingut –
Aktuell werden 5 Hektar in 25 diversen Parzellen mit Wein bewirtschaftet und noch einige Felder mit Kaperbüschen. Die Flaschenproduktion liegt bei circa 30000 Flaschen und in Planung sind weitere knapp 2 Hektar zu bepflanzen.
Die Familie Fenech kommt ursprünglich aus Malta und ist bereits im 17 Jahrhundert dokumentiert und erwähnt. Der Sohn Lorenzo wird ebenfalls in absehbarer Zeit ins Tagesgeschäft einsteigen, widmet sich den Verkostungen und Köstlichkeiten.
Flagship Weine sind Maddalena Malvasia Doc Trocken und Malvasia Doc Dolce.